2002 buchte mich Philip Treacy für eine weitere Taschenkollektion. Er war immer an meinen neuen Entwürfen interessiert, die ich für mein junges Label entwickelte. Zusammen mit den Jungs von Jakob Schläpfer in St. Gallen habe ich bereits für unsere Haute Couture Schauen neue Stoffe kreiert. So entstanden dann auch neue Materialien für meine Kollektion Ornito. Neben einem Lammellen-Stoff bot sich auch die Möglichkeit Polyester-Twill mit einem Laser zuzuschneiden.
Philip war sehr angetan von diesen Arbeiten. Ein Kleid mit einem elliptisch geformten Netz erregte besondere Aufmerksamkeit bei ihm. Er meinte, das wäre ein perfektes Kleid für seine Freundin, die legendäre Grace Jones. Ein paar Tage später kam Philip zu mir an den Schreibtisch und sagte: "Pack dein Maßband und deine Entwürfe ein, Grace kommt heute Abend zum Essen. Ich stelle euch vor."
Ich war super aufgeregt als wir in die Elizabeth Street kamen. Zum Glück war auch Isabella Blow anwesend, so dass ich nicht so ganz fremd da saß. Philip stellte mich kurz vor, erzählte was ich nun mache und Issy wollte natürlich sofort meine neuen Entwürfe sehen. Grace hielten die beiden zunächst bewusst außen vor, was sie neugierig machte.
Philip zeigte auch ihr dann besagten Entwurf und sie wich nicht mehr von meiner Seite. Sie liebte das Kleid...es war ja auch kostenfrei für sie! Nach einigen Flaschen Rotwein, dauerte es dann bis 4hoo in der Früh, bis ich nun endlich die splitterfasernackte Grace Jones Maßnehmen konnte. Das Kleid hatte für diese Ellipse einen sehr tiefen und weiten Ausschnitt, sprich, je nach Bewegung, liegt die Brust frei. Ich erklärte ihr das kurz und sie meinte, dass das kein Problem sei. Nun brauchte ich aber den Brustspitzenabstand. Ich war scheu und befangen sie nun direkt zu fragen, auch da meine Abmessungen durchzuführen. Sie bemerkte das und fragte, ob ich als schwuler Mann einmal die Brüste einer Frau in Händen hatte. Ich verneinte. Sie nahm dann meine Hände in ihre und rieb damit ihre Brüste. Ok...ich konnte dann genau abgemessene 19 cm Brustspitzenabstand ermitteln.
Beim nach Hause gehen rief sie mir nach: "Make it till death!"
Zum Kleid selber möchte ich noch sagen, dass es eine meiner besten Arbeiten ist. In der Schnittkonstruktion zog ich all meine Register. Vorder- und Rückteil wurden in einem Stück mit einem Laser millimetergenau zugeschnitten. Die offenen Schnittkanten im Polyester-Twill wurden durch die Hitze des Laser versiegelt und fransten nicht. Das Volumen des Kleides wurde lediglich durch Brustabnäher und zwei vordere und hintere Taillenabnäher geformt. Es mussten in der Fertigung lediglich zwei Seitennähte zusammengefügt werden, mehr nicht. Klingt simpel, war es jedoch nicht. Im netzartigen Halsloch waren die Schulternähte integriert, dieser Part hatte sozusagen sein zufälliges Eigenleben und ergab sich aus dem Design der Ellipse. Die Unterbrechungen der Linien waren sozusagen die Verbindungen die sich das Netz haben auffächern lassen.
Es sind zwei Kleider entstanden, eines ist im Besitz von Grace Jones, das andere ist in meinem Archiv.
Geschrieben und gezeichnet von
dem
Markus