Das Januar-Gespräch 2023

AC: Herr Ehrhard, was war Ihr Highlight 2022?

ME: Ich darf mich besonders glücklich schätzen, denn ich hatte mehrere Highlights im letzten Jahr. Besonders war sicherlich der Tag an dem mein Buch "Historische Diamanten - Die Juchem-Ehrhard Sammlung" nach einer sechsmonatigen Odyssee aus dem Druck kam und ich endlich veröffentlichen konnte. Dann natürlich die fünf Vorträge im Stadtmuseum Simeonstift in Trier, die mir sehr viel Freude bereitet haben. Auch, dass ich über das Jahr verteilt eine ausgesprochen positive Presse hatte. Zu meinem Geburtstag haben mein Mann und meine Eltern mir eine komplette Sammlung mit 31 Reproduktionen aus Bergkristall meines Großvaters geschenkt. Diese rote Schatulle stammt von einer ehemaligen Mitarbeiterin eines Füssener Juweliers und die Kollektion war in einem makellosen Zustand. Sehr aufregend kurz darauf der Besuch der Tiffany-Ausstellung in London und, dass ich dort meine Reproduktion mit dem originalen Tiffany Diamanten vergleichen durfte. Und damit verbunden die Nachricht, die ich im Dezember erhalten habe, dass sich noch heute eine Sammlung mit 31 Reproduktionen meines Großvaters Emil Juchem im Besitz von Tiffany & Co. befindet. Das war natürlich die Sensationsnachricht in der Familie Juchem und Ehrhard.

 

AC: Und nun 2023! Was erwarten Sie in diesem Jahr, Herr Ehrhard?

ME: Grundsätzlich begebe ich mich nie in eine Erwartungshaltung. Es kommt, und das zeigt uns derzeit immer noch jeder einzelne Tag, doch immer anders. Ich wünsche mir sehr, dass ich weiter Vorträge zum Thema historische Diamanten halten darf und ich dieses Wirkungsfeld, verbunden mit meinem Buch, weiter ausbauen kann. Nach der Veröffentlichung haben sich weitere sehr interessante Begebenheiten und Geschichten aufgetan, die ich bereits auf 64 Seiten in einem neuen Skript festgehalten habe. Ich sammele und recherchiere noch, daher ist jetzt ein zweites Buch zu diesem Thema ist noch nicht konkret.

 

AC: Halten Sie Ihre Vorträge auch in Idar-Oberstein?

ME: Nein, da bot sich bislang keine Möglichkeit.

 

AC: Wie sind die Reaktionen zum Buch aus Idar-Oberstein?

ME: Ich hatte eine ganzseitige tolle Besprechung in der Rheinzeitung. Aber die Reaktionen aus Idar-Oberstein waren verhalten, und dann auch unangemessen.

 

AC: Das klingt nicht positiv.

ME: In diesem Fall bin ich sehr enttäuscht und nehme das sogar persönlich, denn ich bin in Idar-Oberstein sehr verwurzelt und durch meine Familiengeschichte sehr verbunden. Aber was sage ich, meinem Großvater erging es ja nicht anders. Er erlebte in Idar-Oberstein ja auch diese, wie soll ich es nett formulieren, stoische Haltung in der Betrachtung der Dinge an sich.

AC: Welchen Schmuck tragen Sie auf Ihrem Foto?

ME: Das ist ein Gelbquarz mit dem sich mein Vater in den 1980er-Jahren bei den Gebrüder Leyser in Idar-Oberstein bewarb. Er erhielt die Stelle mit diesem absolut präzisen Schliff in Tropfenform. Ich trage den Edelstein mit der Spitze nach unten, wie Marylin Monroe den Moon of Baroda Diamanten, auch an einem schlichten Lederbrand. Also gleich zwei Reminiszenzen.

 

AC: Haben Sie nun schon konkrete Pläne für dieses Jahr?

ME: Ich bin am überlegen, mich zum geprüften Gemmologen schulen zu lassen.

 

AC: Warum überlegen Sie?
ME: Vom Thema her bin ich Feuer und Flamme, das ist nicht die Frage, die sich mir stellt. Aber die Ausbildung ist recht kostenintensiv und ich prüfe derzeit, ob sich dann durch von mir ausgefertigte Expertisen ein weiterer Geschäftszweig erschließen lässt. Denn für diese Ausbildung müsste ich mich finanzieren.

 

AC: Sie bieten insgesamt fünf verschiedene Vorträge zu dem Thema der historischen Diamanten an?

ME: Genau. Das Basisthema sind die "historischen Diamanten und die Kunst der Reproduktion", die ich immer anhand der Nachschliffe real zeige und meinen Zuschauern damit den Zugang zu diesen außergewöhnlichen Edelsteinen ermögliche. Der Vortrag zu den "sagenumwobenen Diamanten der Golkonda Mine in Indien" ist sehr fachlich und geht tief in die einzelnen Historien. Im Vortrag zu den "Britischen Kronjuwelen" geht es dann hauptsächlich um Queen Elizabeth und die königlichen Insignien. In beiden Vorträgen stelle ich zum Beispiel den Koh-I-Noor Diamanten in den entsprechenden Kontexten vor.

AC: Und wie stellen Sie den Tiffany Diamanten vor?

ME: Natürlich ist der Tiffany der krönende Abschluss im Vortrag zu den "berühmten Frauen und ihren berühmten Diamanten" mit seinen glamourösen Geschichten, aber er ist auch höchst interessant in der Betrachtung der "Rekorddiamanten unserer Zeit", die in die Historie eingehen werden. Der Tiffany ist und bleibt eine Ikone. Auch hier wieder Betrachtungen aus verschiedenen Blickwinkeln und die Darstellung verschiedener Hintergründe zu dem einen Diamanten. Aus diesem Grund war auch mein Publikum jedes Mal ein komplett anderes und auch die Fragen, die mir gestellt wurden, kamen aus ganz unterschiedlichen Kontexten.

 

AC: Welche Frage wurde denn am häufigsten gestellt?

ME: Noch bevor ich einen Vortrag halte, werde ich schon im Voraus auf die beiden Taylor-Diamanten angesprochen. Aber diese unterliegen streng formulierten Abbildungsrechten und diese will ich nicht verletzen. Daher zeige und bespreche ich diese Diamanten nicht, sondern projiziere diese Formulierungen an die Wand. In den Vorträgen zeigt sich jedes Mal, dass die verstorbene Queen Elizabeth die Person mit der größten Aufmerksamkeit und von größtem Interesse ist. Daher war auch der Vortrag zu den Britischen Kronjuwelen mit Abstand die meistbesuchte Veranstaltung. Es ist aber auch ein tolles Thema. Es bietet Unterhaltung in Form Mode und Skandale und es bietet eine Fülle an Geschichte und Tradition. Am besten kommen aber die Staatsgeschenke an, die ich kurz am Ende vorstelle. 

 

AC: Kommen auch kritische Fragen, wie zum Beispiel nach Blutdiamanten?

ME: Ja, das Thema wurde angesprochen, aber nicht als Frage, sondern als Anmerkung. Im Vortrag zu den Rekorddiamanten nahm ich auch zu diesem Thema Stellung in dem ich die Definition dazu gab und aktuelle Zahlen nannte. Dabei ist mein Publikum richtig zusammengezuckt und die Stimmung war augenblicklich sehr gedämmt. Aber das gehört halt auch zum Konzept, ich will nicht nur eine Stunde zur Belustigung da stehen.

 

AC: Auf welche Quellen beziehen Sie sich bzw. woher erhalten Sie Ihre aktuellen Informationen?

ME: Ich beziehe mich in meinen Vorträgen rein auf die Zahlen und Fakten, die die Firmen, wie DeBeers, Tiffany oder das GIA, oder die Auktionshäuser, wie Christie's oder Sotheby's, direkt veröffentlichen. Im Fall zu den Blutdiamanten habe ich eine DPA-Nachricht, die vergangenen Dezember veröffentlich wurde, zusammengefasst und erkläre diese Zusammenhänge.

 

AC: Haben Ihre Vorträge einen speziellen Aufbau oder Konzept?

ME: Ich habe ja einen Bildungsauftrag, sprich, ich liefere innerhalb der einen Stunde eine Fülle an Informationen und Hintergrund zu einem ganz spezifischen Thema. Einleitend stelle ich immer kurz dieses Thema vor, erzähle dann zu den gezeigten Exponaten die Familiengeschichte der Juchems und Ehrhards. Und danach gehe ich dann in das Thema. Dabei versuche ich immer, dass ich nicht trocken die Geschichte runterlese oder nur Zahlen nenne, sondern durch andere Sichtweisen wortwörtlich die vielen Facetten von historischen Diamanten zu zeigen.

AC: Gab es eine Entwicklung vom ersten zum letzten Vortrag?

ME: Oh ja, die gab es. Im ersten Vortrag im Stadtmuseum Simeonstift hatte ich eine Gruppe von 20 Zuschauern nah am Tisch und ich hatte dazu über Wochen ein Konzept erarbeitet. Und nach meinem ersten Satz kam gleich die Frage nach den beiden Taylor Diamanten und mein Konzept war Vergangenheit. Und so referierte ich spontan zweieinhalb Stunden vor einem höchst interessiertem Publikum. Wobei es durch die vielen Fragen eher eine angeregte Unterhaltung war. Die weiteren Vorträge waren dann teils vor 50 und mehr Besuchern. Diese sind nun getaktet und ich lese vor, immer mit entsprechenden Projektionen auf einer Leinwand. Und die Zuschauer kommen erst danach zu mir an den Tisch und haben die Möglichkeit sich die Sammlung anzuschauen und ich stelle nochmal einzelne Steine vor.

AC: Sie sprachen vorhin von einem weiteren Skript und neuen Erkenntnissen. Können Sie uns dazu denn schon etwas nennen?

ME: Vermutlich befindet sich eine kleine Sammlung mit Reproduktionen der neun Cullinan Diamanten in der Sammlung von Van Cleef & Arpels in Paris und mindestens eine ganze Kollektion bei DeBeers. Da bin noch am recherchieren.

Desweiteren beschreibe ich Cooperationen, die mein Großvater eingegangen ist. Er schliff zum Beispiel kleine Partien Tsavorit für den schottischen Gemmologen Campbell Bridges. Mr. Bridges entdeckte diesen grünen Granat in Tansania und besuchte nach dem Tod meines Großvaters später in den 1970ger-Jahren häufiger meine Eltern als wir noch in Idar-Oberstein wohnten. Ich war sehr von ihm beeindruckt. Er sah aus wie ein richtiger Abenteurer mit einen Bart. Er erzählte mir, er habe einen Korb mit einer Schlange auf seinem Kaminsims in seinem Haus. Als Yps-Kind imponierte mir das natürlich zutiefst.

Auch möchte ich nennen, dass ich durch eine intensive Studie der zurückgekauften Füssen-Sammlung  Rückschlüsse auf den Schaffensprozess meines Großvaters ziehen kann und nun sogar die vier uns bekannten Sammlungen, wie auch die von Tiffany, zeitlich einordnen kann. Bis 1963 bezog sich mein Großvater auf einen sehr einfachen Schliff des Schah Diamanten. Die Silhouette ist bereits, wie im Buch "Diamonds...Famous, Notable and Unique" nach einer schlichten rechteckigen Abbildung geschliffen. Die Füssen-Sammlung zeigte dann einen komplexeren und definierten Schliff, da das Original im Buch "Famous Diamonds of the World" von Robert M. Shipley aus dem Jahr 1963 von mehreren Ansichten gezeigt wird. Aufgrund dieser Sammlung und den Schatullen in roter Verkleidung konnte ich dann den Rückschluss ziehen, dass mein Großvater zeitgleich an mindestens fünf dieser Zusammenstellungen mit den 31 Reproduktionen über einen Zeitraum von durchschnittlich fünf Jahren arbeitete. Das ist mit Sicherheit keine Massenware, wenn man bedenkt, dass diese Steine ausnahmslos frei Hand am Sandstein geschliffen wurden. Und das halte ich für sehr bemerkenswert und unterstreicht meine Auffassung, dass es sich bei diesem Handwerk um eine Kunst für sich handelt.

AC: Arbeiten Sie an neuen Designs für Ihre Kollektion Ornito?

ME: Nein, aktuell nicht. Ich halte mich da bewusst zurück, denn die Preisentwicklungen sind mir derzeit zu unsicher. Meine Schmuckanhänger sind immer massiv und wiegen. Nehmen wir mal an, ich stelle ein neues Design für € 200 online und ich muss in drei Monaten diesen neuen Artikel auf einen Preis von € 260 erhöhen, was so schon geschehen ist. Und weitere drei Monate dann auf € 310. Es ist nachvollziehbar, dass das mein Kunde nicht versteht. Auch kommt hinzu, dass durch die Inflationsentwicklung man im Moment andere Dinge als Schmuck kauft. Ich warte da auf mehr Stabilität. Im hohen Preissegment ist das was ganz anderes, aber das bediene ich eben nicht.

 

AC: Reizt es Sie nun nicht einmal Schmuck mit Diamanten zu kreieren?
ME: Nein, überhaupt nicht! Das hat nichts mit der Herausforderung an das Design oder der faszinierenden Ästhetik des Diamanten zu tun. Ich habe ein Problem damit, dass jeder vierte heute gehandelte Diamant aus Russland stammt und dieses Geschäft ist mir schlicht und ergreifend zu blutig ist. Der Diamantmarkt ist noch ganz weit von Nachhaltigkeit, Transparenz und Fair-Trade entfernt. Tiffany setzt übrigens sehr stark auf die Rückverfolgbarkeit ihrer angebotenen Diamanten. Man leistet dort aktuell eine beachtenswerte Pionierarbeit.

 

AC: Stehen Sie noch mit Tiffany in Kontakt?

ME: Ja, wir stehen noch in Kontakt. Man plant die Sammlung meines Großvaters in Zukunft auch auszustellen und da arbeite ich aktuell an einer englischsprachigen Dokumentation für deren Archiv.

 

AC: Was macht Alvis?

ME: Dem kleinen Mann geht es wieder gut. Er hatte 2022 insgesamt vier Operationen und es wird Zeit, dass er wieder am Strand von Rossbeigh Spazierengehen kann. Er, wie ich, vermissen Irland sehr.

 

AC: Vielen Dank, Herr Ehrhard!

 

 

 

Das Gespräch führte Andreas Christ