Das Künstler-Dreieck
Im Rahmen der zwei Beiträge des im November erscheinenden Birkenfelder Heimatkalender 2025 zu den Künstlern Roland Göttert und Gerd Edinger aus Katzenloch, traf sich der aus Allenbach stammende Designer, Autor und nun auch bildschaffende Künstler Markus Ehrhard zu einem gemeinsamen Gespräch.
Markus Ehrhard: Nachdem ich Euch beide in mehreren Einzeltreffen für die Artikel im Heimatkalender intensiver kennenlernen durfte, wundert mich doch eine Tatsache: Katzenloch liegt sehr idyllisch, eingebettet im Idarbachtal, zwischen dem Silberich, der Sensweilerter Höhe und der Wildenburg. Aber vom Lichteinfall ist es, besonders im Winter, mit Abstand der dunkelste Ort in der Umgebung. Warum wohnt Ihr beide in unmittelbarer Nachbarschaft in Katzenloch?
Roland Göttert: Bei mir ist es Zufall. Ich bin zwar im Wiesbadener Stadtteil Katzenloch geboren, aber meine Frau und ich haben während meiner Tätigkeit als Kunsterzieher am Gymnasium Heinzenwies in Idar-Oberstein in Katzenloch das richtige Haus für meine Familie mit einem Atelier gefunden.
Gerd Edinger: Meine Motivation sich in Katzenloch niederzulassen formuliert sich anders, und zwar aus der Spiritualität und der Metaphysik. Es waren Schwingungen und Frequenzen, also Energien, die mich an diesen Ort geführt haben und mich hier schaffen lassen. In der jahreszeitlich verdunkelten Abgeschiedenheit von Katzenloch hat für mich das gepflegte Innehalten und das analytische Denken einen fruchtbaren Boden. Und Markus, begann Dein Werdegang zu kreieren nicht auch in Allenbach?
Markus Ehrhard: Ich durfte im Alter von 12 Jahren in Allenbach im Studio des Industriedesigners Gerhard Koch experimentieren. Er sagte mir damals, wenn du Modedesigner werden möchtest, musst du diesen Beruf von Grund auf lernen. Und so habe ich zunächst als Schneider bei Escada in München den Beruf des von der Pike auf gelernt. Meine gesamte Ausbildung, inklusive Design-Studium mit Kunstgeschichte an der Fachhochschule in Trier, dem Praktikum bei Birkenstock und meiner Assistenzzeit bei Philip Treacy in London, dauerten dann neun Jahre. Gerd, Du bist in Allenbach zur Lehre gegangen?
Gerd Edinger: Mein Geburtshaus in Sensweiler wurde 1965 vom dem Allenbacher Bauunternehmer Kurt Art renoviert und über diesen Kontakt bin ich zu ihm in die Lehre zum Maurer. Im Fach Bauzeichnen in der Berufsschule In der Au in Oberstein bin ich dann zur Zeichnung gekommen. Das war mein Anfang. Roland, Du hast noch früher begonnen?
Roland Göttert: Ich formte in der Schule schon mit acht Jahren den Kopf des Kasperles aus Ton. Der wurde sogar in einer Fachzeitschrift über Schulisches Werken veröffentlicht. Figürliche Skulpturen faszinierten mich von Kind auf.
Markus Ehrhard: Bei euch beiden folgte dann das Studium. Roland, Du unter Erwin Schutzbach an der Werkkunstschule in Wiesbaden, und hast unter anderem 1965 auf der Darmstädter Sezession ausgestellt und 1972 an der 5. Dokumenta in Kassel mitgearbeitet. Und Gerd, Du hast in der renommierten Kunstakademie Düsseldorf studiert und hast dann das Atelier von Gerhard Richter übernommen. Allesamt fundierte Ausbildungen und tolle Referenzen. Wenn ich das als Designer und nun visueller Künstler sagen darf: Uns Drei eint das verinnerlichte Sehen.
Roland Göttert: Sehen heißt ja nicht nur wahrnehmen, sondern sich im Gestaltungsprozess auch dauernd zu korrigieren.
Markus Ehrhard: Das ist mir sofort in Deinen Aktzeichnungen aufgefallen, Roland. Du korrigierst deinen eben gezogenen Strich, ohne dabei abzusetzen. Das kenne ich nur bei ganz wenigen Künstlern und Designern.
Roland Göttert: …und diese Korrektur ist zusätzliches bildgebendes Element.
Gerd Edinger: Das Sehen dient zudem die Wahrnehmung zu ventilieren, also die Blickwinkel so zu verändern, um auch dahinter schauen zu können. Es ist ein permanenter Lernprozess.
Markus Ehrhard: Erkennt Ihr auch sofort an einer abstrakten Darstellung, ob eine künstlerische Ausbildung dahintersteht oder ein Autodidakt gearbeitet hat?
Roland Göttert: So habe ich mir die Frage noch nicht gestellt. Als Lehrer kann ich sagen, dass es Naturtalente im Zeichnen gibt und es gibt Geübte. Das Erlernen des Zeichnens geht nicht so tief ins Bewusstsein, wie das Erfahrene.
Gerd Edinger: Die Abstraktion in der Kunst birgt die Chance und die Gefahr, das zu sehen, was Du willst. Man erkennt das Talent in der Zeichnung. Aber die Kunst soll subtil sein. Es gilt, die optische Konsumption zu verhindern, über das Plakative zu sehen. Das Ding muss Seele haben, Du musst Neugier bei der Betrachtung spüren.
Roland Göttert: Die Erfahrung spiegelt, ob ein Bild Harmonie oder Disharmonie erzeugt. Es muss Spannung durch Hinzufügen oder Weglassen auslösen. Das führt zu dieser Neugier.
Markus Ehrhard: Euch beide verbindet auch ein gemeinsames Projekt?
Gerd Edinger: Roland und ich haben zusammen den sogenannten Friedens-Obelisk 2021 in Berschweiler geschaffen. Wir haben die Idee der Friedensbäume aus der Zeit um 1870 in eine neue Skulptur transponiert. Aus dem Holz der alten Eiche haben wir an ihrem Platz ein Zeichen der Kriegsmüdigkeit gesetzt.
Roland Göttert: Das Thema Frieden zeigt immer wieder Aktualität. Der Grundriss ist pyramidal und als Krönung sitzt das Peace-Zeichen als dreidimensionales Element in Metall. Es ist nun ein Platz der Begegnung und der Kommunikation.
Markus Ehrhard: In den Gesprächen habe ich zwei Männer mit ganz unterschiedlichen Künstlernaturen kennenlernen dürfen. Roland, dein Werk habe ich auf deiner Retrospektive im letzten Jahr in der Kunsthalle Art Affect in Berschweiler zum ersten Mal gesehen und ich muss sagen, es ist enorm umfangreich, weil Du alle bilddarstellenden Disziplinen der Deutschen Moderne von der Zeichnung über die Skulptur bis hin zur Installation, wie zum Beispiel auch die Gestaltung des Zang-Hauses in Birkenfeld, naturalistisch als auch abstrakt bedienst. Im Gegensatz zu einer Ausstellung hat eine Retrospektive eine reflektierende Wirkung auch auf den Künstler. Gibt es in diesem umfassenden Rückblick für dich ein bedeutsames Werk?
Roland Göttert: Das eine wichtige Werk sehe ich bei mir nicht. Für mich ist jede Arbeit ein wesentliches Element in meinem Ganzen. Ich habe fünf Kinder, da bevorzuge ich ja auch keinen einzelnen. Ich bin da sehr selbstzufrieden. Mir gefällt wirklich jede einzelne meiner Arbeiten.
Markus Ehrhard: Gerd, Dein Oeuvre ist, wie mit der Gestaltung des Steinkreises in Sensweiler und der damit fertiggestellten Steinskulpturenzeile des Köhlerpfades, ebenfalls groß und sehr umfangreich. Du gehst mit Deinen Arbeiten rein in die Abstraktion und mir fällt dabei auf, dass Du, wie ganz aktuell mit Deinen Gehstöcken, doch auch Schnittmengen mit dem Design zeigst.
Gerd Edinger: Kunst ist auch zweckgebunden. Alle Sinne sollen angesprochen werden. Ich gebe durch die Gestaltung nicht nur eine Ästhetik und Fragestellung, sondern auch eine Funktion mit Beantwortung und damit genau das, was ich als sinngebend beschreibe. Du hast ja nun vom Design zur Kunst gewechselt, Markus. Gibt es für Dich Unterschiede?
Markus Ehrhard: Ich unterscheide nicht in meiner Herangehensweise. Zuerst erzeuge ich immer ein Bild, ein Image, das mühelos wirken soll, es aber nicht ist. In der Pariser Haute Couture habe ich gelernt mein handwerklich erfahrenes und geübtes Umsetzen zu stilisieren und immer an die Grenzen des Machbaren zu gehen. Aber ich unterscheide in der Wirkung: Mit meinem Design gebe ich Möglichkeiten, wie man sein möchte. Und das ist immer mit Schönheit verbunden. Meine Kunst ist nicht immer schön, denn ich sage, wie und wer man ist. Aktuell zeichne ich an einer Serie zum Thema „Too Much Freedom“ („Zuviel Freiheit“).
Gerd Edinger: Apropos, Markus. Du hast im Artikel nach meinen Angaben formuliert, dass der Einsatz von Künstlicher Intelligenz für mich kein Tabu darstellt. Das möchte ich revidieren. Ich sehe die KI mittlerweile als große Gefahr. Und das nicht nur, weil das künstlich erzeugte seelenlos ist, sondern es wird versuchen den Menschen zu versklaven.
Markus Ehrhard: Die KI ist in unserer Entwicklung logisch und unvermeidbar, und immer noch menschengemacht. Der Prozess ist nun extrem schnell und die Möglichkeiten zu mannigfaltig und überwältigend. Natürlich öffnet sie, wie das Internet oder die sozialen Medien auch, Tür und Tor für Missbrauch. Und deshalb bedarf es weltweit einheitlich geltenden Strukturen und Konturen. KI ist in unserem Fall die unermessliche Freiheit gestalterischer Möglichkeiten, und wir müssen uns, wie mit der freien Meinungsäußerung, erst an diese Libertät gewöhnen, uns sogar dazu überwinden. Nachdem wir demokratisch verstanden haben unsere eigene Meinung frei formulieren zu dürfen, lernen wir aktuell die freie Meinung des anderen auszuhalten. Und da halte ich es wie die Allenbacher: Machen wir das Beste daraus.
Roland Göttert: Ich brauche keine Künstliche Intelligenz.
Gerd Edinger: Wir müssen in der KI auf die Fragestellung achten.
Markus Ehrhard: Wie Du eben zur Abstraktion richtig gesagt hast, Gerd, es birgt Chancen aber auch Gefahren. Ich sehe die KI, wie übrigens auch Geld, als Abstraktum. Ich kann euch beiden versichern, die beiden Artikel für den Heimatkalender sind immer noch von mir selbst und von Hand geschrieben.
The Artist Triangle
As part of the two articles about the artists Roland Göttert and Gerd Edinger from Katzenloch for the Birkenfelder Heimatkalender 2025, which will be published this November, the designer, author and now also visual artist Markus Ehrhard met for a final talk.
Markus Ehrhard: After I was able to get to know you both more intensively in several individual meetings for the articles, one fact surprises me: Katzenloch is very idyllically located, nestled in the Idarbach valley, between the Silberich, the Sensweilerter Höhe and the Wildenburg. But in terms of light, especially in winter, it is by far the darkest place in the area. Why do you both live in the immediate vicinity of Katzenloch?
Roland Göttert: For me, it's a coincidence. I was born in the Wiesbaden district of Katzenloch, but my wife and I found the right house for my family with a studio in Katzenloch during my work as an art teacher at the Heinzenwies Gymnasium in Idar-Oberstein.
Gerd Edinger: My motivation to settle in Katzenloch is formulated differently, namely from spirituality and metaphysics. It was vibrations, frequencies and energies, that led me to this place and let me create here. In the seasonally darkened seclusion of Katzenloch, cultivated pause and analytical thinking have fertile ground for me. And Markus, didn't your career also start creating in Allenbach?
Markus Ehrhard: At the age of 12, I was allowed to experiment in Allenbach in the studio of industrial designer Gerhard Koch. He told me at the time that if you want to be a fashion designer, you have to learn this profession from scratch. And so I first learned the profession of tailoring at Escada in Munich. My entire education, including design studies with art history at the Fachhochschule in Trier, the internship at Birkenstock and my assistantship at Philip Treacy in London, then lasted nine years. Gerd, you did an apprenticeship in Allenbach?
Gerd Edinger: The house where I was born in Sensweiler was renovated in 1965 by the Allenbach building contractor Kurt Art and through this contact I came to him for an apprenticeship as a bricklayer. In the subject of architectural drawing at the vocational school In der Au in Oberstein, I then came to drawing. That was my beginning. Roland, you started even earlier?
Roland Göttert: At school, I formed the head of the Kasperle (from the Punch and Judy show) out of clay at the age of eight. It was even published in a journal on school crafts. Figurative sculptures fascinated me from childhood.
Markus Ehrhard: For the both of you, studies followed. Roland, you under Erwin Schutzbach at the Werkkunstschule in Wiesbaden, and exhibited at the Darmstadt Sezession in 1965 and worked on the 5th Dokumenta in Kassel in 1972. And Gerd, you studied at the renowned Kunstakademie Düsseldorf and then took over Gerhard Richter's studio. All of them are well-founded training and great references. If I may say this as a designer and now visual artist: The three of us are united by our internalized seeing.
Roland Göttert: Seeing does not only mean perceiving, but also constantly correcting oneself in the design process.
Markus Ehrhard: I noticed that immediately in your nude drawings, Roland. You correct the stroke you just drew without stopping. I only know that from very few artists and designers.
Roland Göttert: ... and this correction is an additional imaging element.
Gerd Edinger: Seeing also serves to ventilate perception, like to change the perspectives in such a way that we can also look behind them. It is a permanent learning process.
Markus Ehrhard: Can you immediately tell from an abstract representation whether there is an artistic education behind it or whether an autodidact has worked?
Roland Göttert: I haven't asked myself the question like that yet. As a teacher, I can say that there are natural talents in drawing and there are trained ones. Learning to draw does not go as deeply into consciousness as what you experience.
Gerd Edinger: Abstraction in art holds the opportunity and the danger of seeing what you want. You can see the talent in the drawing. But the art should be subtle. It is important to prevent optical consumption, to see beyond the striking. It has to have a soul, you must feel curiosity when looking at it.
Roland Göttert: Experience reflects whether a picture creates harmony or disharmony. It must trigger tension by adding or omitting it. This leads to this curiosity.
Markus Ehrhard: The two of you are also connected by a common project?
Gerd Edinger: Roland and I created the so-called Peace Obelisk 2021 in Berschweiler together. We have transposed the idea of the peace trees from around 1870 into a new sculpture. From the wood of the old oak we have set a sign of war weariness in its place.
Roland Göttert: The subject of peace is always topical. The floor plan is pyramidal and to top it all off, the peace sign sits as a three-dimensional element in metal. It is now a place of encounter and communication.
Markus Ehrhard: In the conversations, I was able to get to know two men with very different artistic natures. Roland, I saw your work for the first time at your retrospective last year at the Kunsthalle Art Affect in Berschweiler, and I have to say that it is enormously extensive, because you have covered all the pictorial disciplines of German Modernism from drawing to sculpture to installation, such as the design of the Zang House in Birkenfeld, naturalistic as well as abstract. In contrast to an exhibition, a retrospective also has a reflective effect on the artist. Is there a significant work for you in this comprehensive review?
Roland Göttert: I don't see the one important work in me. For me, every work is an essential element. I have five children, so I don't prefer a single one. I'm very self confident about my work. I really like every single one of it.
Markus Ehrhard: Gerd, your oeuvre is, as with the stone circle in Sensweiler and the stone sculpture path completed with it, also large and very extensive. You go into abstraction with your works and I notice that, as is currently the case with your walking sticks, you also show overlaps with design.
Gerd Edinger: Art is also purpose-bound. All senses should be addressed. Through the design, I not only give an aesthetic and question, but also a function with an answer and thus exactly what I describe as meaningful. You have now switched from design to art, Markus. Are there differences for you?
Markus Ehrhard: I don't differentiate in my approach. First, I always create an image, an image that is supposed to be effortless, but isn't. In Parisian haute couture, I learned to stylize my experienced and practiced craftsmanship and to always go to the limits of what is possible. But I differentiate in terms of effect: With my design, I give possibilities of how you want to be. And that is always associated with beauty. My art is not always beautiful, because I say how and who you are. I'm currently drawing a series on the topic of "Too Much Freedom".
Gerd Edinger: Apropos, Markus. According to my information, you formulated in the article that the use of artificial intelligence is not taboo for me. I would like to revise that. I now see AI as a great danger. And not only because the artificially created is soulless, but it will try to enslave the human being.
Markus Ehrhard: AI is logical and unavoidable in our development, and still man-made. The process is now extremely fast and the possibilities too diverse and overwhelming. Of course, like the internet or social media, it opens the door to abuse. And that is why uniformly applicable structures and contours are needed worldwide. In our case, AI is the immeasurable freedom of creative possibilities, and as with freedom of expression, we first have to get used to this liberty, even overcome ourselves to it. After we have democratically understood that we are allowed to freely formulate our own opinion, we are currently learning to endure the free opinion of the other. And I agree with the people of Allenbach: Let's make the best of it.
Roland Göttert: I don't need artificial intelligence.
Gerd Edinger: In AI, we have to pay attention to the question.
Markus Ehrhard: As you just rightly said about abstraction, Gerd, it holds opportunities but also dangers. I see AI, like money, for that matter, as an abstraction. I can assure you both, the two articles for the home calendar are still written by myself and by hand.